Wandern und Brotbacken im Sinai


von Monika & Freundinnen
Ägypten | Asien | Reiseberichte
07. Oktober 2024
07.
Oktober 2024

Unter dem funkelnden Sternenhimmel des Sinai sitzen wir in der Dunkelheit um das knisternde Lagerfeuer. Einer der Kameljungen leert etwas Grillkohlenartiges in die Glut und wir finden uns in Qualm gehüllt wieder. Er sagt: „Donkey. Good fire.“ Wir husten und fangen an zu lachen, die ganze Situation wirkt etwas unwirklich.

Was dann passiert, halten wir zuerst für eine Show für uns Touristinnen: In Teamarbeit wird mit Hilfe einer alten Weinflasche Brotteig dünn ausgerollt, auf eine kuppelförmige Metallplatte über dem Feuer gelegt, und die fertigen Fladenbrote werden geschickt mit der bloßen Hand wieder heruntergenommen. Wir werden feststellen, dass das Schauspiel sich jeden Abend wiederholen wird.

Eine kuppelförmige Metallpfanne wird über einer offenen Flamme am Lagerfeuer erhitzt, während Menschen um sie herum sitzen.

Kulturelle Unterschiede beim Planen

Das Besondere am Reisen in den Sinai war für uns auch die Begegnung mit der faszinierenden Kultur der Beduinen. Als Gruppe von fünf Frauen waren wir im November 2023 eine Woche lang in der Wüste unterwegs. Doch schon bei der Planung begann das Abenteuer.

Über das Büro des Sinai Trails haben wir Handynummern von Beduinenguides bekommen, mit dem Hinweis, Verständigung über Whatsapp Sprachnachrichten auf Englisch sei möglich, Schreiben nicht.

„No problem!“ antwortete der freundliche Beduine beim ersten Telefonat auf fast jede Frage. Bereits zu Beginn unserer Planungen wurden die kulturellen Unterschiede deutlich: Für die Beduinen war es unverständlich, warum wir Anfang des Jahres schon unsere Herbstreise planen wollten. Bis dahin könne doch noch so viel passieren. Inschallah – so Gott will – würde sich alles fügen. Wie recht er hatte! Einen knappen Monat vor unserem geplanten Abflug schockierte der Terrorangriff der Hamas auf Israel die Welt – und wir wussten fast bis zuletzt nicht, ob wir tatsächlich in die Region reisen sollten, so nah an die Grenze zum Gazastreifen.

 

Aufbruch trotz Krieg in Gaza

Möglich war die Reise letztlich nur durch die sehr hilfsbereite Unterstützung von Julie Paterson. Auf ihren begeisternden Blogbeitrag hin kontaktierten wir sie. Sie erzählte uns von ihren Erfahrungen mit den kulturellen Unterschieden und versicherte uns, dass wir bei den Beduinenguides in den besten Händen sein würden. Sie lebt im Sinai und konnte uns so das Vertrauen vermitteln, die Reise selbst zu organisieren und trotz des nahen Kriegs im Gazastreifen nach Ägypten aufzubrechen.

 

Von Kairo in die Wüste

Nach einem beeindruckenden Tag in Kairo, mit Besichtigung der Pyramiden in Gizeh und Sakkara, werden wir – wie mit unserem Beduinenguide vereinbart – morgens pünktlich von einem Kleinbus im Hotel abgeholt. Auf einer Stadtautobahn fahren wir aus der vollen und engen Stadt, vorbei an Neubauten der „neuen Hauptstadt“, durch die karge Landschaft Richtung Suezkanal, von dem wir nichts sehen als ein paar Tanker am Horizont. Unterwegs passieren wir mehrere Checkpoints, bei denen unser Fahrer immer wieder angeben muss, dass er fünf Deutsche an Board hat. Nach etwa vier Stunden kreuzt er auf der gut ausgebauten mehrspurigen Schnellstraße auf die Gegenfahrbahn, zum Glück sind keine anderen Autos in Sicht, – bevor er dann nach rechts auf eine Schotterpiste abbiegt. Diese führt uns schließlich nach Serabit el-Khadim, wo noch ein verlassenes Hotel von früherem Tourismus in der Nähe des bedeutenden Hathortempels zeugt.

Eine Sammlung blauer Wegweiser in verschiedenen Sprachen, darunter Englisch, die in einer Wüstenlandschaft mit Steingebäuden und Hügeln im Hintergrund „Entspannung“ anzeigen. Unter den Schildern steht ein Fernseher.

Auf nach Serabit el-Khadim

Wir kommen beim Barakat Camp an, das auf Touristinnen wie uns wartet, und wir werden von unserem ersten Beduinenfüherer Youssuf, Sohn von Sheikh Barakat, und seiner Familie aus dem Stamm der Alegat herzlich in Empfang genommen. Zum Sonnenuntergang geht es noch auf der Ladefläche eines Jeeps weiter in die Wüste und wir bekommen bei einem Spaziergang einen ersten Eindruck von der atemberaubenden Landschaft.

Wir sitzen auf einer Anhöhe bei einer imposanten Felsformation und staunen. Vor uns breitet sich der rote Sand in der Abendstimmung aus, hinter uns erstreckt sich die Hochebene Thi, wo die Israeliten in der Wüste herumgeirrt sein sollen. Nur ein verrostetes Schild mit hebräischer Inschrift lässt erahnen, dass es sich um einen historisch bedeutenden Ort handeln könnte. Die in die Felsen eingeritzten Tiermotive stammen wohl von durchziehenden Nabatäern, die einigen vielleicht von den Grabtempeln in Petra bekannt sein dürften.

Eine Gruppe von Menschen steht unter klarem Himmel in einer felsigen Wüstenlandschaft mit Hügeln in der Ferne im Hintergrund.

Zehrendes Wandern durch die Sandwüste

Das Wandern in der Sandwüste ist unerwartet zehrend. Wir sind die Hitze nicht gewohnt, es hat über 30 Grad, und das Gehen im Sand ist beschwerlich. Mit der Zeit gewöhnen wir uns etwas an die Herausforderung und können das Farbenspiel der Wüstenlandschaft genießen. Vereinzelte Büsche und wenige Bäume wachsen im Sand. Wir treffen einen Jungen, der Ziegen hütet. Die meisten Beduinen leben inzwischen in sehr einfachen Häusern, nicht mehr in Zelten, aber nach wie vor werden Tiere auf die Weide geführt.

Im Sand hat der Wind Wellen gezeichnet, ab und zu sehen wir Tierspuren: Schlangen, kleine Pfoten und große Kamelspuren. Jeepspuren durchziehen den Sand, der sich zwischen felsigen Erhebungen und Dünen ausbreitet.

Zwei Menschen in traditioneller Kleidung laufen unter einem klaren blauen Himmel durch eine sandige Wüstenlandschaft.

Nächte unter dem Sternenhimmel

Die Nacht verbringen wir, eingehüllt in unsere Schlafsäcke, unter einem unbeschreiblichen Sternenhimmel. Vom Essen sind wir positiv überrascht – zum Frühstück ein Bohnengericht (Foul), mittags frischen Salat mit Granatapfel und Chips, abends Reis mit Hühnchen oder Gemüse, als Snack gibt es sogar Popcorn. Kulinarisch werden wir von Youssuf und drei seiner jüngeren Brüder bestens versorgt. Jeweils einer wandert mit uns, die anderen transportieren Gepäck, Wasser und Essen mit dem Jeep zu unserem Mittagessens- und Übernachtungsplatz.

Baumsilhouetten vor einem sternenklaren Nachthimmel mit sichtbarer Milchstraße.

Das Gebirge rund um St. Katherine

Nach drei Tagen Wandern und der Besichtigung des Hathortempels werden wir wieder vom Minibus abgeholt und auf der Schnellstraße nach St. Katherine gebracht. Dort erwartet uns unser zweiter Beduinenführer, Nasser aus dem Stamm der Jebeliya mit seinem Sohn, zwei weiteren jungen Männern und zwei Kamelen. Die Kamele werden für uns das Gepäck und die Verpflegung für die kommenden Tage transportieren. Wir tauchen sofort in eine Landschaft aus roten Felsen von unwirklicher Schönheit ein.

Auf dem Weg zu unserem ersten Übernachtungsplatz begegnen uns freundliche Menschen, die gerade von ihren Gärten zurückkehren. Diese Gärten, von Steinmauern eingezäunt, sind unter anderem mit Palmen, Granatapfelbäumen und Tabakpflanzen bepflanzt. Die Bewässerung funktioniert heute mit Hilfe von allgegenwärtigen schwarzen Gummischläuchen.

Wir sind beeindruckt von der Infrastruktur in den Bergen um St. Katherine. Auf einem der hohen Berge in der Region soll Moses die Zehn Gebote bekommen haben und in den dicken Mauern des Katharinenklosters wird unter anderem noch der Nachfahre des Brennenden Dornbusches gezeigt.

Drei Wanderer erklimmen unter einem klaren blauen Himmel einen felsigen Berg.
Drei Wanderer mit Rucksäcken stehen auf einer Felskante und blicken auf eine weite Berglandschaft unter einem klaren blauen Himmel.

Camps in Gärten

Die folgenden Nächte verbringen wir in einfachen Camps, die in einigen der Gärten angelegt sind. Trotz der Möglichkeit, unter einem Dach zu schlafen, genießen wir es, weiterhin im Freien den Sternenhimmel und die Stille zu erleben. Wir sind verblüfft, dass wir jeden Abend eine einfache Toilette sowie einen Schlauch mit kaltem Wasser zum Abduschen vorfinden. Genauso verblüfft sind wir, dass Nasser uns die geplanten Runde auf einer Wanderkarte zeigt und schnell noch einmal umplant, da wir später als gedacht bei ihm angekommen waren. Auch welchen Gipfel wir besteigen werden, werden wir spontan sehen, wenn er unsere Kondition und Trittsicherheit einschätzen kann.

Das Gehen auf den griffigen Platten macht Spaß und ist uns – im Gegensatz zum Sand – vertraut. Die teilweise über 2000 Meter hohen Berge bestehen aus rotem Granit mit Einlagerungen aus schwarzem vulkanischem Gestein. Teilweise sehen die Felsen aus, als wären sie geschmolzen. Abgerundete Felsbrocken liegen in der Landschaft.

Fünf gemusterte Matratzen und gestreifte Matten liegen auf dem Boden in einer Wüstenlandschaft mit felsigen Bergen im Hintergrund.

Touristen bleiben aufgrund der Krisen aus

Die Temperaturen sind angenehm und zur Erfrischung gibt es sogar Pools! An einer Gumpe treffen wir eine Gruppe junger ägyptischer Wanderer, die einen Wochenendausflug unternehmen. Ansonsten sind wir fast allein unterwegs. Wir erfahren, dass die Region wegen der anhaltenden Krisen immer wieder mit Einbrüchen im Tourismus zu kämpfen hat. In den letzten Jahren kamen jedoch wieder mehr Bergsteiger aus Israel. Diese haben aber jetzt wegen des aktuellen Konflikts im Gazastreifen die anstehenden Reisen storniert, und auch die Gäste aus Europa bleiben aus Angst fern. Diese Entwicklung hat zur Folge, dass die Arbeit für die Guides und die Kameljungen wegbricht und damit auch die Grundlage, ihre traditionellen Lebensformen in und mit der Natur zu pflegen.

 

Köstliches Essen

Im Gebirge transportieren die Kamele unser Gepäck und das Essen von Übernachtungsplatz zu Übernachtungsplatz. Mittags und abends wird über offenem Feuer frisch gekocht, und die Kameljungen backen abends köstliches Fladenbrot für den nächsten Tag. Auch hier sind wir ständig beeindruckt und lernen, wie mit einfachen Mitteln Baba Ganoush aus ins Feuer geworfenen Auberginen zubereitet wird oder eine andere Art von Fladenbrot, das direkt in der Glut gebacken wird.

Zwei Männer sitzen auf dem Boden neben einem Lagerfeuer und bereiten Essen zu. Um sie herum sind Gemüse und Vorräte verteilt.

Begegnung mit der Beduinenkultur

Es ist verpflichtend, mit einem Beduinen unterwegs zu sein, der Wege und Quellen kennt. In den verschiedenen Gegenden des Sinai leben unterschiedliche Stämme in traditionellen Strukturen. Aus den Erzählungen der Beduinen wird deutlich, dass sie sich nicht als Ägypter fühlen, sondern sich mit Beduinenstämmen in anderen Ländern der Region verbunden fühlen, fernab von staatlichen Strukturen. Einige leben als Bergbewohner, ähnlich wie Almbauern in den Alpen: Sie bestellen im Sommer ihre Gärten weiter oben, und im Winter wandern sie nach unten. Andere leben in der Nähe des Roten Meeres und fischen.

Ein Mann in traditioneller Kleidung interagiert liebevoll mit einem Kamel in einer felsigen Wüstenlandschaft.

Ausklang in Dahab

Am Strand von Dahab, eineinhalb Autostunden entfernt von St. Katherine, lassen wir die Reise entspannt beim Baden und Schnorcheln ausklingen. Hier wird uns bewusst, wie erschöpft wir von der Wanderwoche sind und haben das Gefühl, all die Eindrücke und Begegnungen mit den herzlichen Menschen und ihrer ganz anderen Lebensweise verarbeiten zu müssen. Leider geht es erstaunlich schnell, wieder in der Zivilisation anzukommen.

 

Unser Fazit – ein besonderes kulturelles Erlebnis

Der Urlaub hat uns bewusst gemacht, wie wenig zum Leben eigentlich nötig ist, und ja, es geht auch eine Woche ohne Handyempfang und Internet.

Wir erlebten in unserer kleinen Gruppe hautnah eine alte, sehr ursprüngliche Lebensweise, die vom Aussterben bedroht ist. Es war ein Privileg, mit Beduinen unterwegs zu sein und deren Lebensweise so unmittelbar zu erleben.

Eine Reise in den Sinai ist gut auf eigene Faust zu organisieren (viele Informationen sind beispielsweise auf Discover Sinai zu finden). Und wir haben uns entgegen aller Vorurteile und Befürchtungen während der ganzen Reise sicher und gut aufgehoben gefühlt.

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